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DIE BND-ZENTRALE IN PULLACH. Fotodokumentation von Martin Schlüter.

In seiner Reihe zur Dokumentarfotografie zeigt das Kunstfoyer nie gesehene Innenansichten des BND-Territoriums in Pullach. Die Bilder werden im detailreichen Großformat präsentiert. Das 68 Hektar umfassende Gelände wurde jahrzehntelang hermetisch hinter hohen Betonmauern und Stahlzäunen von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Seine wechselvolle Nutzungsgeschichte reicht bis in die NS-Zeit zurück. Im April 1945 von amerikanischen Soldaten besetzt, wurde dort unter amerikanischer Leitung ab 1947 die „Geheimorganisation Gehlen“ aufgebaut – der Vorläufer des 1956 gegründeten Bundesnachrichtendienstes. Einen Teil seiner Geheimhaltung gibt der BND neuerdings auf und startet eine ungewöhnliche „Transparenzoffensive“. Nicht zuletzt forciert durch die öffentliche Diskussion und Spekulation um Auftrag und Arbeitsweise des BND und seiner Kooperation mit der National Security Agency (NSA). Der BND muss seinen nachrichtendienstlichen Mehrwert gegenüber Bundesregierung und Parlament unter Beweis stellen. Erklärtes Ziel darüber hinaus ist, „die Vertrauensbasis in der Gesellschaft zu verbreitern und als fest im gesellschaftlichen System verankerter moderner Dienstleister wahrgenommen zu werden“. So das aktuelle Selbstverständnis des BND.

Der Fotograf Martin Schlüter hat im Auftrag des BND überraschend detailreiche Einblicke hinter die Grenzmauern der BND-Zentrale bis in die Werkstätten, einzelne Mitarbeiterbüros und auch in modernste IT-Anlagen gewonnen. Vertragliche Auflage war, weder Mitarbeiter noch Fahrzeuge zu fotografieren. Er wurde begleitet von der BND-Pressestelle. Realität oder Fake? – bei einigen Aufnahmen kommen Zweifel auf, ob am „Image“ dessen, was der Fotograf sehen durfte oder sollte, gefeilt wurde.

In der Ausstellung wird die Dokumentation des externen Fotografen den Statements des BND-Präsidenten Gerhard Schindler und des beamteten Staatssekretärs im Bundeskanzleramt und Beauftragten für die Nachrichtendienste des Bundes, Klaus-Dieter Fritsche, gegenübergestellt. Die Eröffnungsreden vom 23. Juni 2014 wurden aufgezeichnet und stehen den Ausstellungsbesuchern zur Verfügung. Objekte aus der prädigitalen Zeit des Dienstes, wie z.B. eine Enigma, eine Chiffrierrolle zum Verschlüsseln von Nachrichten oder Verbringungsmittel für geheimes Material, ergänzen die aufregende Zeitreise, die das geheime Territorium zu bieten hat. Nach dem Umzug des BND nach Berlin wird der Standort Pullach als Außenstelle des BND weitergeführt, aber deutlich verkleinert und verändert.

Das Fotoprojekt in Pullach
Im Auftrag des BND

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist der deutsche Auslandsnachrichtendienst. Nach Fertigstellung des Neubaus in der Hauptstadt Berlin wird die Zentrale des BND von Pullach nach Berlin umziehen. Der Bundesnachrichtendienst hat daher das Fotoprojekt angestoßen, um den Standort Pullach noch vor dem Umzug künstlerisch zu dokumentieren. Ziel des Projektes ist es, der Öffentlichkeit zum Zeitpunkt einer wesentlichen Zäsur Einblicke in Arbeit und Geschichte des BND zu gewähren. Pullach wird zwar als Standort des BND erhalten bleiben – er wird aber nie wieder so sein, wie er heute ist. Der Fotograf Martin Schlüter ließ sich für dieses Projekt begeistern. Schlüter fiel der Pressestelle des BND auf, als er zum Nachwuchsjournalisten des Jahres gekürt und mit dem CNN Journalist Award ausgezeichnet wurde. Das Fotoprojekt steht nicht für sich allein, sondern ist Bestandteil einer Transparenzoffensive des BND. Diese umfasst u.a. einen souveränen Umgang mit der Vergangenheit. Das Geschichtsprojekt des BND (uhk-bnd.de) ist eines der umfänglichsten und ungewöhnlichsten in Deutschland. Im Umgang mit der eigenen Geschichte ist für den Bundesnachrichtendienst vor allem die transparente Aufarbeitung seiner Entstehungs- und Frühgeschichte sowie seines Personal- und Wirkungsprofils von 1945 bis 1968 wichtig. Aus diesem Selbstverständnis heraus hat der BND zunächst eine interne Forschungs- und Arbeitsgruppe „Geschichte des BND“ eingerichtet und eine Unabhängige externe Historikerkommission berufen. Zusätzlich gewährt der BND Journalisten und Wissenschaftlern Einblick in Alt-Aktenbestände. Um deren Recherchen zu unterstützen, wurde eigens ein Lesesaal eingerichtet, was für einen Nachrichtendienst eher unewöhnlich ist. Im Rahmen der Transparenzoffensive empfängt der Bundesnachrichtendienst darüber hinaus zahlreiche Besuchergruppen, um die Art und Weise seiner Tätigkeit, seinen gesetzlichen Auftrag und den Zweck seiner Arbeit zu vermitteln. Auch der Internetauftritt des BND wurde informativ ausgestaltet. Die Website bundesnachrichtendienst.de enthält u. a. erstmals Lagebilder zu verschiedenen Arbeitsbereichen. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu mehr Öffentlichkeit wird künftig ein frei zugängliches Besucherzentrum im BNDNeubau in der Berliner Chausseestraße sein.

Quelle: Bundesnachrichtendienst, 2014

Biografie Martin Schlüter

Geboren 1977 in Hannover. Während der Schulzeit erste Fotos für die Schülerzeitung. 1997 Abitur, danach Fotograf bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. 1998 Fahrradtour durch Alaska, Kanada, USA. 1999 Beginn des Fotodesign-Studiums an der FH Dortmund. 2002 Auslandssemester Visual Communications an der University of Wolverhampton, UK. 2002 Fortsetzung des Studiums an der FH Hannover, 2006 Diplom. Umzug nach Hamburg. 2007 und 2008 Assistenzen bei bekannten Werbefotografen. Seit 2008 selbstständig als Fotograf für Redaktionen, Werbeagenturen, Architekten und Unternehmen. 2010 umfangreiche Fotoreportage in Alaska über sexuellen Kindesmissbrauch an Eskimokindern durch katholische Priester. 2011 Veröffentlichung der Reportage im Magazin MARE. 2012 Auszeichnung zum CNN Journalist of the Year aufgrund der MARE-Reportage. 2012 Auftrag des Bundesnachrichtendienstes, den Dienstsitz Pullach fotografisch zu dokumentieren.

Martin Schlüter zum Projekt:

„Das BND-Hauptquartier entsprach so gar nicht meinen Erwartungen und ließ mich nach dem ersten Besuch ratlos zurück. Langsam wurde mir klar: Die BND-Zentrale in Pullach steht für die haptische, analoge Welt, ein klares Feindbild und den Wunsch, sich zu verstecken. Der BND mit Sitz in Berlin wird die virtuelle, digitale Welt der Gegenwart verkörpern, mit diffusen Feindbildern und einem selbstbewussteren Auftritt der Behörde.“

„Bei der Recherche zum Projekt musste ich feststellen: es gibt nicht viele gesicherte Informationen über den BND, die mir ein abschließendes Urteil erlauben würden. Krude Verschwörungstheorien hier, überzogene Heldenepen da. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Mir war klar, dass der Kern meiner Dokumentation der Pullacher BND-Zentrale deshalb eine Aufforderung an die Betrachter sein muss: genau hinzuschauen, kritisch zu bleiben, ein unwohles Gefühl zu behalten, aber auch die eigenen Sehgewohnheiten zu hinterfragen.“